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Die Welt - Pinzgau

Die Welt, Salzburger Land

„Wenn Kinder zu Selbstläufern werden“

High-Tech-Birding, Smaragde sammeln: Familienurlaub im Salzburger Teil des Nationalparks Hohe Tauern

Erschienen in Die WELT, 29. Juni 2019

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Leseprobe

„Das Schnarren und Krächzen aus dem Bergwald klingt eine Spur unheimlich. Warnrufe? Entspanntes Vogelgeplapper? Aber von wem? Die Blicke richten sich auf Bergwanderführer Christoph Mösenlechner. Der fischt aus dem Rucksack ein Vogelbestimmungsbuch und ein Gerät, das an einen übergroßen Kugelschreiber erinnert. Wow – so etwas haben die Wanderer noch nie gesehen. Eine Traube bildet sich um den Guide, der tippt mit dem Stift auf einen im Buch verzeichneten Code. Ein gellender Ruf mit miauendem Unterton ertönt. Allgemeines Kopfschütteln – der Mäusebussard war es definitiv nicht.

Doch beim Eichelhäher: Bingo! Da klingt’s so wie aus dem Unterholz. Mit dem Akustikstift hat der Guide die Juniorwanderer „abgeholt“ – und die spitzen von nun an die Ohren. „Wenn du den Kids was über Flügelspannweiteoder Brutzeit erzählst, können sie wenig damit anfangen“, sagt Mösenlechner. Aber mithilfe eines akustischen Steckbriefs nach den scheuen Bewohnern des Waldes zu fahnden, das hat Charme. Der Original-Eichelhäher rückt auch ein paar Bäume näher – kein Wunder, will der territorial veranlagte Nüsschensammler doch erfahren, was in seinem Revier so vor sich geht.

Christoph Mösenlechners Revier gehört zum Salzburger Teil des Nationalparks Hohe Tauern, genauer gesagt zum Oberpinzgau westlich von Zell am See. An diesem Tag begleitet der junge Bergwanderführer aus Neukirchen eine Gruppe auf dem Venedigerweg. Die vier Kilometer lange Route ins Obersulzbachtal ist ganz auf Kinder zugeschnitten. Mit einem 60 Meter langen Seilsteg wartet die erste Mutprobe gleich zu Beginn. Unten braust der Gletscherbach in seinem Bett, und je mehr Wanderer sich hinauswagen, desto stärker schwankt die stählerne Brücke. Der Spannungsbogen bleibt straff …. „