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Wiener Journal, Christchurch

„Blühende Ruinen“

2011 legte ein Erdbeben die neuseeländische Stadt Christchurch in Schutt und Asche. Beim Wiederaufbau setzen Aktivisten aus der Kulturszene ungewöhnliche Akzente

Erschienen in Wiener Zeitung, Extra, 15./16. November 2014

www.wienerzeitung.at

Leseprobe

„Am Himmel ein Ballett von Kränen, auf den Straßen Lastwagen-Konvois, die Luft erfüllt vom Rattern der Presslufthämmer und Kreischen der Sägen: Mehr als dreieinhalb Jahre nach dem verheerenden Erdbeben, das 185 Menschen in den Tod riss, präsentiert sich Neuseelands zweitgrößte Stadt Christchurch als eine der größten Baustellen der südlichen Hemisphäre Doch in das nüchterne Geschäft von Abriss und Wiederaufbau haben sich bunte Tupfer gemischt, die Lust auf urbane Experimente verraten. Architektonisches Aushängschild des neuen Christchurch ist die von Shigeru Ban entworfene „Cardboard Cathedral“, für Aufbruchsstimmung sorgen Aktivisten aus der Kulturszene.

Chaos als Chance

Zu ihnen zählt Coralie Winn, Mitbegründerin und Direktorin des Vereins Gap Filler. Anstatt der Stadt den Rücken zu kehren wie viele andere, sah die arbeitslos gewordene Kulturmanagerin in dem postapokalyptischen Chaos auch Chancen und hob mit Gleichgesinnten einen gemeinnützigen Verein aus der Taufe. Das Ziel: Der geschockten Bevölkerung Mut zu einem Neubeginn zu machen und die allerortsgähnenden Löcher mit „verrückten Ideen“ zu füllen….

… .Schräge Töne erklingen vom Soundgarden an der Ecke Gloucester& Colombo Street, wo eine Kinderschar Fantasie-Instrumente aus recycelten Trümmerteilen bearbeitet. Hoch her geht es auf den Ein-Loch-Minigolfplätzen, die auf einem halben Dutzend Brachflächenangelegt worden sind. Zum größten Erfolg in Sachen Beteiligung mauserte sich der „Dance-O-Mat“. Eine alte Waschmaschine umhüllt die Technik, eine Zwei-Dollar-Münze aktiviert Scheinwerfer und Lautsprecher; bloß noch den eigenen MP3-Player eingestöpselt– und der Party im urbanen Niemandsland steht nichts mehr im Weg…“